Das Kammergericht (KG) hat mit Beschluss vom 13.05.2025 (Az. 21 U 8/25) eine wichtige Entscheidung zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Abrechnung von gekündigten Bauverträgen getroffen. Im Fokus steht die Frage, ob für den Vergütungsanteil für die nicht erbrachten Leistungen Umsatzsteuer anfällt. Dies hat das Kammergericht bejaht!
Christian Kirschberger erläutert die Hintergründe und Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis.
Ein Bauunternehmen verlangte nach der ordentlichen Kündigung eines Bauvertrags durch den Auftraggeber (§ 648 BGB) u.a. eine Vergütung für die infolge der Kündigung nicht zur Ausführung gelangten Leistungen. Für diese verweigerte der Auftraggeber die Zahlung der in der Schlussrechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer. Hierzu berief er sich auf die bisherige Ansicht in der deutschen Rechtsprechung (Bundesgerichtshof / Bundesfinanzhof), nach der nicht ausgeführte Leistungen keine steuerpflichtigen Umsätze darstellen würden.
Das KG hat mit seiner Entscheidung vom 13.05.2025 nun klargestellt, dass auch die Vergütung nicht erbrachter Leistungen der Umsatzsteuer unterliege. Damit hat das KG als bisher erstes deutsches Gericht die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 28.11.2024 –v C-622/23) zu dieser Thematik übernommen.
In dieser hatte der EuGH eine Umsatzsteuerpflicht aufgekündigter Leistungen bejaht. Dies hatte der EuGH damit begründet, dass ein steuerbarer Umsatz auch bei kündigungsbedingt nicht ausgeführten Leistungen gegeben sei. Entscheidend sei, dass für die gekündigten Leistungen als Gegenleistung vorab eine Vergütung vereinbart worden sei – auf eine Ausführung dieser Leistung käme es für die Steuerbarkeit nicht an.
Dem hat sich das KG nun angeschlossen und die bisherige anderslautende nationale Rechtsprechung des BGH/ BFH (BGH, Urteil vom 22.11.2007 – VII ZR 83/05, BFH, Urteil vom 26.08.2021 – V R 13/19) ausdrücklich für überholt erklärt.
Es wird sicher noch abzuwarten sein, ob der BGH bzw. der BFH diese obergerichtliche Entscheidung des KG und damit die Übertragbarkeit der EuGH-Rechtsprechung auf das deutsche Recht bestätigen wird. Die Entscheidung des Kammergerichts dürfte jedoch – gestützt auf die EuGH-Rechtsprechung – zumindest konsequent sein.
Für Sie als Unternehmer bedeutet dies, dass Sie künftig auch nicht erbrachte Leistungen mit Umsatzsteuer ausweisen sollten. Bei bereits abgerechneten gekündigten Verträgen sollten Sie erwägen, die Umsatzsteuer vorsorglich (gerichtlich) nachzufordern und Ihre Schlussrechnungen zu korrigieren. Hier könnte ansonsten u.U. nicht nur ein Vergütungsausfall drohen, wenn das Finanzamt Umsatzsteuer bei Ihnen nachfordert, sondern auch eine Verjährungsfalle.